Wie versprochen: Mindestens ein Eintrag die Woche.
Vorab: Ich ertrage gerade keinen weiteren Ex-Freund-Eintrag von mir. Ich bin dabei, endgültig loszulassen, alles andere schreibe ich, wenn ich mich danach fühle.
Fortschritte und Weiterentwicklungen sind meiner Meinung nach so: Man geht eine ganze Weile nach vorne, fühlt sich stark, sicher, selbstbewusst, stolz und super. Dann stolpert man, strauchelt, fällt vielleicht sogar hin, verliert die Orientierung, braucht dringend eine Trink- oder Pinkelpause oder man wird ein wenig wahnsinnig und läuft plötzlich im Kreis oder in die falsche Richtung.
Und statt sich zu freuen, wie weit man schon gekommen ist, fühlt es sich vielleicht dann plötzlich so an als wäre man kaum weitergekommen, weil man sich gerade nicht mehr vorwärts oder gar rückwärts bewegt.
So ging es mir in der letzten Zeit. Ich habe seit dem Ende meiner Beziehung Vollgas gegeben und versucht, all meine Themen gleichzeitig zu bearbeiten, Fortschritte zu erzielen, weiterzukommen und mich stark und gut und mutig und selbstbewusst und supi-dupi zu fühlen und ich war ehrgeizig, zu einem bestimmten Zeitpunkt X an einem bestimmten mentalen Punkt X zu sein. Dann sehe ich da meinen Ex-Freund, der mich scheinbar schon zum zweiten Mal überholt und grinsend und winkend an mir vorbeirennt und so sehr ich mich darüber freue, dass er offenbar ein toller Marathonläufer ist, habe ich Sorge, ich bin zu langsam. Dabei bin ich mir manchmal nicht sicher, ob ich tatsächlich langsam bin oder er heimlich mit versteckten Rollschuhen und Abkürzungen trickst. Oder beides.
Das sind keine sonderlich reifen Gefühle. Aber es sind Gefühle. Und sie sagen mir im Grunde nur, dass ich Sorge und Zweifel habe, nicht genug persönliche Fortschritte in den letzten Monaten gemacht zu haben. Wer auch immer dieses „nicht genug“ definiert.
Nach dem letzten emotionalen Knall vor ein paar Tagen habe ich das Gefühl, dass in mir nochmal einiges gerade gerückt wurde. Und so bin ich die letzten zwei Tage mit einem großen Strahlen durch die Welt gegangen. Es ist nicht so entscheidend, wen ich nicht in meinem Leben oder an meiner Seite habe. Ich habe mich und ich bin zunehmend gut darin, mir eine gute Freundin zu sein und nicht meine größte Kritikerin und ich will nicht mehr darum kämpfen, jemandem zu genügen. Auch nicht mir selbst.
In der letzten Zeit war ich im Online-Dating etwas überengagiert. Man kann hier an der Stelle gerne kritisieren, dass ich so vielen Männern gleichzeitig schreibe. Allerdings war das nie meine Absicht, teilweise bestehen die Kontakte seit einigen Wochen, ohne sich mal getroffen zu haben. Es ist auch ein wenig meine derzeitige Art, um zu verhindern, dass ich mich zu schnell auf jemanden festschieße. Sobald jemand dabei ist, der auch nach den ersten Dates noch sympathisch erscheint, werde ich mich auf diese Person allein konzentrieren.
Ein Kontakt war mit dem ersten Date beendet (von beiden Seiten aus) – auf die Freizeitfrage antwortete ich damit, dass ich wahnsinnig gern meine Zeit mit anderen Menschen verbringe, während seine Antwort war, dass er vor allem sehr gerne Zeit alleine verbringe.
Einer hat sich von selbst aufgelöst, weil sein Account offenbar gelöscht wurde.
Einer wirkt auf mich etwas abgedreht, eher ein netter Smalltalk-Schreibkontakt.
Einer schreibt mit mir ellenlange Diskussionen, wenn ich dann mal antworte, aber ich habe teilweise das Gefühl, etwas Belehrendes herauszulesen, worauf ich inzwischen ziemlich sensibel, wenn nicht gar empfindlich reagiere.
Einer ist äußerst sympathisch und wir treffen uns in den nächsten Tagen.
Einer sucht sehr den Kontakt zu mir und ich scheine ihm für den Anfang zu wenig zu investieren.
Einen habe ich heute getroffen – und fand ihn zumindest ganz nett. Das habe ich ihm auch geschrieben.
Einer ist heute endgültig von meiner Kontaktliste gerutscht und warum, das möchte ich gern heute erzählen.
Wir haben uns gestern zum zweiten Mal getroffen. Ich hatte offen thematisiert, dass ich andere Schreibkontakte habe und teilweise auch date. Ich hatte ihm auch gesagt, dass ich alle Kontakte beende, sobald sich echtes Interesse auf beiden Seiten abzeichnet und dass ich ohnehin mit keinem der Kontakte intim bin. Es sind Schreib- und Treffkontakte, die für mich nur ein nettes, offenes Kennenlernen bedeuten.
Beim ersten Treffen nahm er sich etwa zwei Stunden Zeit für mich. Ich fand ihn wahnsinnig sympathisch, attraktiv und anziehend. Mir gefiel, wie er mir tief in die Augen sah und ich konnte ihm deutlich anmerken, wie umwerfend er mich findet. Mir gefiel, dass er aufmerksam war, viele Fragen stellte und mir so begegnete, wie ich bin und nicht so, wie er mich gerne hätte.
Nach dem ersten Treffen gab es dann einige Dinge, die ich schwierig fand. Er schrieb mir beispielsweise als so ziemlich Erstes danach, dass ich einen heißen Körper hätte und ob ich Sex auch so sehr vermissen würde wie er. Daraufhin sagte ich freundlich, nicht zum ersten Mal, dass ich nicht unbedingt eine Beziehung suche, aber nicht für Sex-Kontakte offen sei, auch nicht für länger anhaltende Sex-Kontakte. Seine Erwiderung war ein „Lass uns doch erstmal in Ruhe kennenlernen, dann schauen wir weiter“. Und auch hier reagiere ich zunehmend sensibel: Es fällt mir gerade im Dating-Bereich bei Männern inzwischen oft auf, dass wenn ich eine klare Grenze ziehe oder eine klare Aussage mache, so behandelt werde, als wäre ich kompliziert, hysterisch oder anstrengend. Dabei ist es völlig legitim, mal kurz abzustecken, was man will und was nicht.
Er versprach mir irgendwann, sich meinem Tempo anzupassen. In den Tagen darauf kamen Angebote, dass wir als Nächstes mal ein ganzes Wochenende miteinander verbringen könnten, einige Stunden von hier entfernt (er schickte mir eine Anzeige von einer Unterkunft mit einem Schlafzimmer mit einem großen Bett). Er würde auch fahren (ich hatte ihn schon beim ersten Treffen abgewimmelt, da wollte er mich mit dem Auto von zu Hause abholen). Wieder eine Abfuhr von mir, erneut Unverständnis. Als wäre es so furchtbar unverständlich, dass ich (auch als Frau, aber auch sonst) nicht nach dem ersten Treffen mit einer wildfremden Person für ein langes Wochenende in den Urlaub fahren will – wenn ich mit demjenigen zu dem Zeitpunkt zwei Stunden verbracht habe und ansonsten fast nicht telefoniert und nicht geschrieben habe.
Irgendwann kam der Vorwurf, ich hätte keine Zeit und dann der Vorwurf, ich wolle etwas Festes, würde mir aber alle Optionen offen lassen. Ich hatte ihm angeboten, darüber zu reden, rief ihn an und zeigte mich gesprächsbereit. Er hinterließ mir nur eine kurze Sprachnachricht, er lege sich jetzt in die Sonne, wir könnten lieber persönlich mal darüber reden, aber es sei ja „eigentlich alles ok“.
Gestern trafen wir uns dann zum zweiten Mal und ich war mir sicher, dass sich damit alles entscheiden würde. Er fragte mich dieses Mal nicht mehr danach, ob wir uns bei mir treffen würden. Wir trafen uns in einem Café und ich fand ihn erneut im persönlichen Kontakt äußerst sympathisch und anziehend. Während des Treffens dachte ich, dass wenn er es nur ein wenig anders angehen würde, ich schon längst tiefes Interesse an ihm hätte. Nach dem Café fragte ich ihn, ob er noch ein wenig spazieren wolle, aber er lehnte ab und verabschiedete sich nach nicht mal zwei Stunden. Ich zeigte meine Bereitschaft und Initiative, ihn bald wiedersehen zu wollen.
Heute kam es dann zum entscheidenden Moment. Er schrieb mir „Ich finde dich ja schon heiß“. Manche Männer denken, glaube ich, immer noch, dass ich es als größtes Kompliment empfinde, wenn sie mein Äußeres (und zwar nur das) positiv und vor allem sexuell kommentieren. Er übertraf sich aber noch, in dem er mir erklärte, er habe gestern darüber nachgedacht, mir an den Po zu greifen, habe aber nicht gewusst, wie ich reagieren würde. Mal kurz nochmal zur Verdeutlichung: Wir hatten bisher keinen Körperkontakt, außer Umarmungen zur Begrüßung und zum Abschied. Nein, da ist ein fetter Pograbscher nicht der Erstkontakt, den ich mir wünsche.
Nach kurzem Hin und Her entschied ich, dass zwei Treffen mehr als genug sind und dass ich ihm oft genug eine Chance gegeben habe. Ich schrieb ihm eine deutliche und dennoch sehr wertschätzende, längere Nachricht, in der ich ihm erklärte, dass das zwischen uns nicht passe und ich ihn gerne besser kennenlernen wollte, er das aber auf anderem Weg versuche als ich und dass ich auch Körperkontakt wolle und auch der Meinung sei, dass sich das entweder ergebe oder nicht, es sich für mich aber eher nicht ergeben würde, wenn es von Anfang an schon so sexualisiert sei. Die Nachricht war lang, freundlich und sehr sachlich.
Die Antwort war ein „Du bist sehr spießig. Dann lassen wir es halt.“
Wenn das Spießigkeit bedeutet, bin ich es wirklich gerne.
Und ich bin gerade unfassbar stolz auf mich. Weil ich das in der Vergangenheit nicht so souverän und selbstsicher geregelt hätte. So ist das Dating gerade auch eine Gelegenheit für mich, mich selbstbewusster, willensstärker und aktiver zu zeigen.
ein wolf im schafspel scheinbar. mit gutem auge erkennbar. glückwunsch. diese reduktion von beziehung auf sex ist wirklich blöd, aber scheinbar im zeitgeist verankert.
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Ich hab weder viel Zeit noch viel Energie dabei verloren, es ist also ok. Sicher kommt das häufiger vor, aber es gibt auch genug Menschen, auf die das nicht zutrifft.
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Die richtige Einstellung aus meiner Sicht.
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Wirklich gut gemacht! Ich muss mir mal ne Scheibe abschneiden von dir, was das betrifft! 🙂
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Ich hab das früher auch anders gemacht. Aber mit dem Selbstwert kommt auch, dass man besser Grenzen setzen kann. 🙂 Das ist zumindest meine individuelle Erklärung für mich, denn das konnte ich noch vor einiger Zeit überhaupt nicht. Ich wünsche dir da an dieser Stelle auch eine Scheibe, aber ich glaube fest, dass das bei dir noch kommt!
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Schön, daß Du schreibst!
Solch einen Typen zu erleben, muß sicherlich frustrierend sein. Es – wie ich – nur zu lesen… da könnte ich über diesen Deppen und seine plumpe Tour schon kopfschüttelnd grinsen.
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Ach, es ist jetzt eine witzige Geschichte, die ich zum Besten geben kann. Das ist schon ok. 😁 Ich hab doch dabei über mich gelernt, dass ich da inzwischen konsequent reagiere und ich hab nicht sonderlich viel Zeit mit ihm verloren. Ich finde es eher amüsant-absurd statt frustrierend. 🙂
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Ich habe diese ausführliche Schilderung mit Interesse gelesen, aber – leider! – ist mir dennoch nicht klargeworden, was die Verfasserin sich von dem zuletzt angeführten Kontakt eigentlich erwartet hatte? Als sie den Mann das zweitemal trifft, findet sie ihn „äußerst sympathisch und anziehend“, aber dann folgt diese seltsame Aussage: „Während des Treffens dachte ich, dass wenn er es nur ein wenig anders angehen würde, ich schon längst tiefes Interesse an ihm hätte.“ Also erfolgte das Treffen ohne Interesse? Aber ein durchaus „tiefes“ Interesse hätte durchaus vorhanden sein können, wenn der Mann es nur ein wenig anders angegangen wäre? Wie ist das zu verstehen? Wie kann seitens der Verfasserin einerseits scheinbar kein Interesse vorhanden sein, aber sie sich zugleich darüber gewiß sein, daß sogar „tiefes“ Interesse vorhanden wäre, wenn der Mann es nur – wie genau? – anders angegangen wäre?
Meine Verwirrung wurde auch nicht gemildert durch die – kryptische – Aussage am Schluß, daß die Verfasserin dem Mann ja „oft genug eine Chance gegeben habe.“ Oft genug eine Chance gegeben – wozu? Was für eine Chance war es genau, die der Mann, obwohl sie ihm oft genug eingeräumt worden sei, nicht genutzt habe?
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Danke für deinen langen und kritischen Kommentar, ich antworte dir gerne darauf als Verfasserin des Textes! 🙂
(Noch) kein tiefes Interesse zu haben bedeutet für mich nicht, kein Interesse zu haben. Jemanden, den ich ein oder zwei Mal getroffen habe, finde ich vielleicht sympathisch, anziehend und/oder toll. Tieferes Interesse entwickelt sich bei mir aber zunehmend, manchmal langsamer, manchmal schneller. Sobald ich also Interesse bei jemandem und bei mir verspüre, lerne ich erstmal jemanden besser kennen und schaue, ob sich daraus tieferes Interesse entwickelt.
Letztendlich habe ich dem Mann aus meiner Sicht oft genug eine Chance gegeben, auch auf mich einzugehen. Ich habe sehr oft sehr deutlich kommuniziert, dass es mir zu schnell und zu oberflächlich ist, immer wieder auf Äußerlichkeiten und Sexualität reduziert zu werden. Und da sind wir auch bei der Frage, wie er tiefergehendes Interesse bei mir hätte bewirken können.
Vielleicht kannst du es dir so besser vorstellen:
Ich fand diesen Mann an sich in seiner Wirkung und Art erstmal wirklich sympathisch. Ich habe mich gerne mit ihm unterhalten und fand ihn interessant. Es baute sich also zunehmend Interesse auf. Mit verschiedenen Handlungen und Aussagen hat er aber dieses Interesse gedämpft und ich habe beim zweiten Treffen – ähnlich wie du beim Lesen des Eintrags – eine Diskrepanz empfunden, weil ich einerseits gemerkt habe, ich habe grundsätzlich Interesse an ihm und könnte auch noch mehr haben, würde er manches anders machen, und andererseits habe ich aber auch gemerkt, wie mein Interesse mit jedem Mal, bei dem mir das Gefühl gegeben wurde, dass er vor allem in erster Linie mit mir Sex haben möchte, ein Stückchen nachließ.
Hat sich deine Verwirrung geklärt? Ansonsten frag mich gerne.
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Ja, vielen Dank für diese ausführliche Antwort!
Mein Fehler lag also darin, anzunehmen, daß Du nur eine Art hypothetisches Interesse an dem Mann gehabt hättest, wohingegen Du ein tatsächliches, wenn vielleicht auch nicht sonderlich tiefgehendes, an ihm hattest. Dann frage ich mich allerdings, ob das nicht eine Art Bedauern nach sich zieht ob der, wenn man so will, verpaßten Chance, die sich da durchaus hätte ergeben können? Oder sind Deine Erfahrungen mittlerweile so zahlreich, daß es Dir da auf die eine mehr oder weniger auch nicht mehr ankommt?
Daß der Mann vor allem an Sex mit Dir interessiert war, war nach Deiner Schilderung, wie ich finde, spätestens klar, als er Dich zu dem Kurzurlaub im gemeinsamen Zimmer/Bett einlud. Daß Du danach trotzdem noch einem zweiten Treffen zugesagt hast, würde ich, ehrlich gesagt, so werten, wenn ich das so frei sagen darf, daß Dein tatsächliches Interesse an diesem Mann schon ziemlich groß gewesen sein muß! Daher auch meine obige Frage nach dem Bedauern, die somit, hoffe ich, vielleicht klarer geworden sein mag.
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Tut mir leid, ich habe erst jetzt gemerkt, dass ich dir gar nicht mehr hierauf geantwortet hatte. Das passiert mir manchmal bei längeren Nachrichten, weil ich mir dann in einer ruhigen Minute genug Zeit nehmen will… Und dann geht es unter. Ich hoffe, du kannst trotzdem noch etwas mit meiner nachträglichen Nachricht anfangen!
Auch wenn ich anfangs Interesse hatte, hat sich ja relativ bald abgezeichnet, dass es da mehrere Dinge gibt, die ich schwierig finde. Und ich war eher froh, das so bald gemerkt und dann recht konsequent reagiert zu haben. Es ist schwierig, da irgendwas zu bedauern. Ich könnte höchstens bedauern, dass dieser Mann so ist, wie er ist, und dass ich so bin, wie ich bin. Das wäre doch etwas dramatisch. Also bin ich einfach froh über die Erfahrung.
Naja, ich weiß, dass andere Menschen manchmal schneller darin sind, (richtige) Rückschlüsse zu ziehen. Ich bin da oft vorsichtiger und warte ab, ob sich mein Eindruck weiterhin bestätigt. Also der Kurzurlaub war zwar ein deutliches Signal, aber ich habe auch einfach die Möglichkeit gesehen, dass er es noch nicht verstanden hatte oder es nicht so gemeint hatte oder was auch immer.
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