Das ist ein Eintrag voller Ehrlichkeit, weil ich alles andere gerade nicht mehr kann. Eventuell ist es auch ein Eintrag voller Tippfehler. Aus den gleichen Gründen.
Ehrlich gesagt dachte ich, dass der nächste Eintrag ein Eintrag über Ex-Freunde sein würde. Über Menschen, von denen man zulässt, dass sie einen noch länger als nötig festhalten.
Und dann dieser Abend. Plötzlich ist alles verpufft – mal wieder – und da ist die Erkenntnis, dass all das, was ich zur Gegenwart mache, in Wirklichkeit schon längst Vergangenheit ist und dass die einzige Person, die das manchmal ignoriert, ich selbst bin.
– Von vorne –
Ich bin in einer Gruppe verabredet. Wir stehen da, unter vielen Menschen. Mir ist nicht so gut. Erst denke ich, ich halte es aus. Dann denke ich, ich halte es aus, bis mir Schwarz vor Augen wird und irgendwer um mich herum handeln muss. Dann wird mir klar, dass das das alte Flatterherz ist und dass das jetzige Flatterherz sich nicht davor scheut, sich in den Mittelpunkt zu stellen, wenn es notwendig ist – auch wenn es erstmal unangenehm ist. Irgendwann murmel ich unserer Runde zu „Mir ist nicht gut, mir wird gleich Schwarz vor Augen“. Alle reagieren, ich taumel ein paar Schritte nach vorne. Irgendwer sagt mir, da sei Platz und ich setze mich.
Ohne es erst so richtig realisiert zu haben, sitze ich neben einem Typen, ihm gegenüber eine Frau. Ganz offensichtlich, dass beide zusammen dort sind. Der Typ gibt sich besorgt. „Ist alles gut? Soll ich mich rüber setzen? Möchtest du mal die Beine hochlegen? Das hilft bei Kreislaufproblemen.“ Ich geb mich entspannt. „Nein, danke, alles gut, bleib sitzen. Nein, wird gleich wieder. Nein, ich brauch nur einen Moment.“ Mein Blick wechselt immer wieder zwischen ihm und ihr hin und her. Ich sehe seinen Blick in meine Augen und denke, sein Interesse zu sehen. Eine Freundin kommt dazu. Er bietet es erneut an. „Soll ich mich wegsetzen? Dann könnt ihr nebeneinander sitzen.“ Ich lächle nur erschöpft. Seit meiner Reise ist mir bewusst, wie leicht man mit fremden Menschen ins Gespräch kommen kann – nur ist das nicht einer dieser Momente, in denen ich das zu nutzen weiß.
Das ist ein glücklicher Abend. Ich erzähle, etwas später, meiner Gruppe, wie froh ich bin, hier zu sein. In den letzten Jahren haben sich so viele Dinge verbessert und ich brauche keinen Moment, um mir das vor Augen zu führen und innerlich ein wenig gerührt zu sein. Es ist nicht mehr so entscheidend, wie die Zukunft aussehen wird, weil ich die Gegenwart habe.
Der Abend schreitet fröhlich voran. Ich trinke, ich tanze, ich liebe. Ich liebe nicht nur das Leben, ich liebe vor allem diese Stadt. Und irgendwann wird mir bewusst, dass ich diese Stadt liebe, weil ich das, was ich gerade erlebe, nur hier erleben kann. Und ich fühle das so sehr, dass ich irgendwann einer Freundin zuschreie, dass mein Herz zerfließe, dass es überspringe. Wir klopfen beide auf unser Herz und machen eine entsprechende Geste. Mehr muss nicht gesagt werden und die Ehrlichkeit dieses Moments bleibt unübertrefflich.
Als ich mich mit einer Bekannten für Getränke anstelle, schüttelt sie lachend den Kopf über mich. Ich habe kaum was getrunken und ich stehe ganz ehrlich einfach nur da. Aber da ist der Typ, der mit einem ganzen Tablett Biergläser da steht und mir zuzwinkert. Ich weiß nicht, was das soll, also zwinkere ich auf völlig alberne Weise zurück. Da ist der Typ, der mich anspricht, der meine Hand nimmt und mich fragt, ob ich ein Brillentuch habe – ohne, dass ich eine Brille trage. Es geht so weiter und sie sagt, ich würde heute Abend noch jemanden kennenlernen. Ich lache. Es gibt solche Abende, an denen alle dich sehen und ich weiß, dass hier ist einer meiner Abende. Das passiert mir nicht ständig, es ist mir inzwischen auch nicht mehr wichtig, schmeichelhaft ist es dennoch.
Irgendwann sehe ich sie. Den Mann und die Frau, denen wir zuvor begegnet waren. Ich mache meine Freundin auf die Beiden aufmerksam, wir gehen auf sie zu. Die Frau entfernt sich, der Mann und ich kommen ins Gespräch. Um uns herum tanzen Menschen, es ist laut, es ist wild. Und wir unterhalten uns über unsere Berufe, über Vorurteile, über die Stadt, die ich immer wieder auf’s Neue liebe, über unsere Herkunft. Er will mir nicht so sehr an die Wäsche, er will mich offensichtlich viel mehr kennenlernen. An dem ganzen Abend macht er lediglich einen Kommentar darüber, wie er mein Aussehen findet. Und er ist zu gut, um ihn nicht zu zitieren:
„Du siehst gut aus. In [Stadt XY] würdest du an mir vorbeilaufen und so machen [zeigt mit der Nase in die Höhe]. In [ Stadt XY2] würden wir uns beide fiese Kommentare an den Kopf werfen. Und hier – hier reden wir einfach miteinander und lernen uns kennen.“ Und das fühle ich so sehr, dass ich ihn nur anlächle. Ich weiß, was er meint.
Wie sich herausstellt, ist die Frau nicht seine Freundin.
Er geht und holt sich was zu trinken. Alle fragen mich, wer er ist. Ob ich seine Nummer habe.
Wir reden viel miteinander. Irgendwann holen wir Getränke. Wir stehen an und ich erzähle ihm, auf seine Frage hin, von meinen Hobbys und Leidenschaften. Plötzlich berührt mich von hinten eine feste Hand an der Schulter. Ich schau irritiert. Sehe einen fremden Mann und schaue ihn irritiert an. Mein Begleiter schubst sanft, aber bestimmt die Hand von meiner Schulter. Plötzlich ist da eine andere Hand von einem anderen Mann auf meiner Schulter. Auch die schubst er von meiner Schulter. Ich frag mich, was plötzlich alle von mir und meiner Schulter wollen. Auch er fragt sich das offenbar und sagt etwas zu den Männern.
Irgendwann, als wir zu meiner Gruppe wieder dazustoßen, fragt er mich nach meiner Nummer. Ich gebe sie ihm. Irgendwann verabschieden wir uns.
Der Abend schreitet voran. Da ist ein Typ, dem ich ein Kompliment mache, um ihn zu fragen, wie oft er dieses Kompliment schon gehört habe an diesem Abend. Nicht ein einziges Mal, lautet seine Antwort. Da ist der Typ, den ich etwas unscheinbar finde und der mir irgendwas sagt. Da ist der Typ, der mir irgendwas zuruft, eine „Nur ein wenig“-Geste mache und geht. Mein Feund fragt mich, was er gesagt habe. „Ich habe keine Ahnung.
„, sage ich schulterzuckend.
Mein Herz springt über, weil das so ein schöner Abend ist. Ein Abend voller Einzigartigkeit und Leichtigkeit, voller Gesellschaft und Begegnungen, voller Bewusstsein, dass wir nur das einzige Mal leben.
Und die Ex-Freunde? Weder Vergangenheit noch Zukunft sind gerade von größter Bedeutung.
Und? Hat er angerufen?
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Nein, aber er hatte mir noch in der Nacht geschrieben. 🙂
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