Wir treffen uns. Ich ziehe eine Hose an, was ich bei einem Date möglicherweise noch nie gemacht habe, zumindest nicht am Anfang. Enge Jeans, ein weites Oberteil, eine schlichte Kette. Das Haar, das seit dem Nickerchen nur noch mäßig sitzt, bürste ich noch ein wenig durch, schminke mich ein wenig. Fertig. Ich schau in den Spiegel und gefalle mir.

Wir treffen uns. Es ist ein ziemlicher Akt, zueinander zu finden und innerlich schüttel ich schon ein wenig den Kopf über mich. Okay, heute fühle ich mich etwas unbeholfen. Es gibt diese Dates, da bin ich mutig, taff, selbstbewusst, stark und, vor allem für meine Verhältnisse, ungewöhnlich dominant. Und dann gibt es offenbar diese Date-Tage, an denen ich eher meine ruhigere, zurückhaltendere, abwartendere, etwas unbeholfenere Version von mir bin. So fühle ich mich heute.

Nachdem ich ihn missverstanden habe, stehen wir auf gegenüber liegenden Straßenseiten. Dass wir uns draußen in der echten Welt kennengelernt und Nummern ausgetauscht haben, macht das Erkennen noch etwas leichter. Im ersten Moment registriere ich, dass ich ihn noch viel attraktiver finde als ich das an dem Abend wahrgenommen hatte. Er hat was an sich, was ich sehr mag. Ich mag seine tiefe, männliche Stimme und seine lustige, unbeschwerte Kumpelart. Wir umarmen uns nicht zur Begrüßung. Schade, aber ich ergreife selbst auch nicht die Initiative.
Wir laufen los und er hat ein Tempo drauf, das mich froh macht, meine bequemen Sneaker an den Füßen zu haben. Nach einigen Metern, als ich mich eingelaufen habe und meine Beine im Sportmodus sind, fragt er mich, ob das Tempo okay ist und drosselt von Jetzt auf Gleich vom halben Joggen zu Fast-Zeitlupe.

Wir gehen etwas essen. Jetzt im Nachhinein manifestiert sich immer mehr das Gefühl, dass das Date hier irgendwie anders ist. Wir sitzen in einer spontan ausgesuchten Pizzeria, die schicker wirkt als sie ist. Trotzdem finde ich für einen Moment, dass wir hier nur mäßig hinpassen. Wir unterhalten uns. Er redet viel und er redet viel über die Arbeit. Ich denke darüber nach, warum es nicht fair ist, während einer Verabredung die Person gegenüber auf Alarmzeichen abzuscannen.

Ein paar Mal mache ich ein paar Witze. Sie zünden aber nicht richtig und inzwischen kenne ich das nur zu gut. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich Witze auf einer Frequenz versende, die bei den meisten Leuten nicht ankommt. Und ich denke an meinen Ex-Freund, der Mensch, der immer wieder sagte, dass man am Anfang etwas Zeit brauche, um meinen Humor wahrzunehmen und zu verstehen. Also habe ich Geduld und versuche in Gedanken nicht die Augen darüber zu verdrehen, wie es sein kann, dass die Männer da draußen es offenbar nie registrieren, wenn ich etwas witzig meine.

Wir laufen miteinander und irgendwann wird er stiller. Ich habe meine Hände in der Jackentasche und merke immer wieder irritiert, wie ich ihn versehentlich beim Gehen anrempel. Vermutlich sind Koordinationsstörungen dabei nicht so ein großer Grund dafür wie die Tatsache, dass ich gerne Körperkontakt mit ihm hätte. Ich wünsche mir, er würde meine Hand nehmen. Aber das hier ist keiner meiner Initiative-Tage. Das ist ein Tag, an dem ich registriere, wie meine Verabredung die Hände in die Taschen versenkt und das selbst auch tue. Es fühlt sich richtig an, weil ich es schätze, dass wir dieses Tempo hier gerade gehen und ich befasse mich mit der Frage, ob ich mich nach Körperkontakt oder nach Körperkontakt mit ihm sehne und allein das ist schon ein guter Grund, damit zu warten. Aber ich mache mir nichts vor: Ich mag ihn, ich finde ihn attraktiv und gleichzeitig ist da auch ein Teil in mir, der Zurückhaltung mahnt. Ich fühle mich nicht mehr dazu bereit, mich Hals über Kopf in etwas zu stürzen und taste lieber erstmal mit dem dicken Zeh vor. Wir kennen uns nicht, er kann genauso gut der Mann meiner Träume sein wie der Mann mit dem gewaltigen großen Haken.

Irgendwann erzählt er über seine letzte Beziehung. Nur beiläufig. Ich werde hellhörig, aber bei der entscheidenden Stelle spart er aus. Verständlich, weil letzte Beziehungen bei ersten Verabredungen aus guten Gründen nicht so viel Platz einnehmen sollten. Für einen Moment überlege ich. Ich ahne, was ausgelassen wurde und denke, dass wenn ich damit Recht haben sollte, sich das hier an dieser Stelle schon erledigt haben könnte. Ein Teil von mir wäre erleichtert, das schon so bald entscheiden zu können. Wir laufen nebeneinander her und meine Gedanken schweifen ab. Es wäre klug, einfach zu fragen. Direkt das Thema auf den Tisch zu packen und zu schauen, was sich dahinter verbirgt.

Ich überlege. Wir sind schon längst fünf Themen weiter und dann mache ich etwas für mich eher Typisches, indem ich alle anderen Themen vom Tisch fege und das eine Thema drauflege, über das ich jetzt gerade mehr erfahren will.

„Ich bin neugierig“, leite ich ein und dann sage ich, was mich neugierig macht und lasse ihn erzählen. Mir gefällt, ganz allgemein, das er mir keinen Moment lang ausweicht, egal, was ich sage.
Seine Antwort fällt anders aus als gedacht und ich merke, dass der vorsichtige Teil von mir allmählich besänftigt wird.

Während wir noch durch die Nacht laufen – ich fühle mich an seiner Seite sehr sicher -, ändern wir unsere Pläne. Er fährt mich mit dem Auto nach Hause, weil die Bahnanbindung jetzt ziemlich schlecht wäre an diesem Ort zu dieser Zeit. Er fährt genau so Auto, wie ich mir das vorgestellt habe: sportlich, sicher, verantwortungsbewusst. Alles an ihm schreit nach einem anständigen Typen. Es ist die Tatsache, dass er mir nicht ein einziges Mal zu sehr auf die Pelle rückt. Dass er darauf besteht, dass er das Essen bezahlt – nicht, weil ich die Frau bin und er der Mann, sondern weil ich, als wir uns kennengelernt hatten, für alle eine Runde geworfen hatte, nicht nur für meine Leute sondern auch für seine Leute, obwohl er für die Runde zuständig gewesen wäre. Dass er sagt „Komm, ich fahr dich jetzt eben schnell nach Hause“ und dass damit vollkommen klar ist, dass es darum geht, dass ich sicher nach Hause komme und es auch deshalb kein Problem ist, dass er mich an einer Straßenecke rauslässt.

Noch im Auto denke ich mir, dass sich das hier erstmal nicht so wahnsinnig krass anfühlt. Es gibt Dinge, die mich stören und auf beiden Seiten Dinge, die zu Schwierigkeiten führen könnten. Aber das ist ja immer so. Er hält an der Straßenecke, zu der ich ihn lotse. Ich sehe ihn an und sage ihm Danke. Er sagt, ich solle gut nach Hause kommen und wir sagen uns gegenseitig mit Humor in der Stimme, dass wir uns schreiben sollen, wenn wir angekommen sind. Und ich weiß nicht so wirklich, wie das passiert. Ich überlege, ich würde ihn gerne umarmen und ich sehe an seinem Grinsen etwas, was mir zutiefst gefällt. Das hier wäre der Moment, in dem man sich küssen könnte. Nichts dergleichen passiert, keine Umarmung und kein Kuss. Stattdessen steige ich aus seinem Auto und da ist plötzlich das Flatterherz in mir, das ich so mag und den ganzen Abend vermisst habe. Wir grinsen uns gegenseitig an, sagen etwas und es ist vollkommen klar, dass wir uns wiedersehen werden. War ich mir zwanzig Sekunden vorher noch nicht ganz sicher, merke ich, wie durch die Art, wie wir uns angegrinst haben, etwas in mir zum Schwingen gebracht wurde. Ich mache beschwingt die Tür zu und laufe nach Hause, mit einem übermäßigen Grinsen.

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2 Kommentare zu „

  1. Hallo Flatterherz,

    ich kenne mich mit Dates zwar nicht mehr so aus. Aber das klang doch für euer erstes Treffen ganz gut.
    Evtl. wählt ihr für euer zweites Treffen irgendeine gemeinsame Unternehmung: Herbstfest, Freizeitpark oder so? Dann ist das Ganze nicht so verkrampft.

    Ich wünsche dir einen schönen Dienstag.
    Liebe Grüße
    Trude

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