Schluss damit!

Seit Wochen und Monaten überlege ich, wann der Tag kommt, an dem ich nochmal über dich schreibe. So oft war der Moment da, in dem ich dachte, das wäre der Moment. Er war es jedes Mal nicht.

Etwa eine Woche lang bin ich jeden Tag mit klopfendem Herzen zum Briefkasten gegangen. Insgeheim hatte ich die Hoffnung, du könntest mir eine Postkarte geschrieben haben.
Ja, wir haben seit Monaten keinen Kontakt mehr.
Nein, natürlich wusste ich nicht mal, ob du tatsächlich im Urlaub bist. Ich habe es einfach aus der Vergangenheit heraus angenommen.
Und nein, du hättest keinen Grund, mir eine Postkarte zu schicken, außer vielleicht der, dass wir das früher immer getan haben.

Der Tag, an dem ich das letzte Mal mit klopfendem Herzen zum Briefkasten gegangen bin, war der Tag vor meiner Erkenntnis, dass da ein winziger Teil in mir verblieben ist. Ein Teil dessen unnatürliche Abhängigkeit der Grund dafür ist, dass ich nicht richtig weitermache. Fehlendes Selbstwertgefühl macht diese Abhängigkeit erst möglich.
Anders kann ich es mir nicht erklären, weil ich denke, dass jemand mit einem gesunden Selbstwertgefühl dir schon vor Ewigkeiten den endgültigen Laufpass gegeben hätte und nicht nur den auf Zeit.

Der erste Tag, an dem ich nicht mehr mit klopfendem Herzen zum Briefkasten ging, sondern einfach nur müde von der Arbeit und in Alltagsgedanken, war der Tag, an dem deine Postkarte bei mir im Briefkasten lag. Die, von der ich keinen Moment lang Grund hatte zu erwarten, dass du sie mir schicken würdest. Hast du dennoch getan. Möglicherweise, weil ein winziger Teil in dir verblieben ist, der mich nicht loslassen möchte. Warum, das kann ich nur spekulieren. Liebe wäre der allerletzte Grund auf der langen Liste der Gründe, die mir einfallen würden. Nein, das stimmt nicht. Wenn ich ehrlich bin, steht Liebe gar nicht auf dieser langen Liste, die am Ende gar nicht so lang ist, weil es für fragwürdiges Verhalten am Ende immer nur eine Hand voll mäßig guter oder auch gar nicht guter Gründe gibt.

Manchmal geht das Leben mit all seinen Zufällen, seinen unerwarteten Wendungen und glücklichen und unglücklichen Fügungen, ob nun Zufall oder nicht, seltsame Kurven. So manches Mal in der Vergangenheit war es leicht, darin Zeichen sehen zu wollen. Zeichen dafür, dass wir auf irgendeiner höheren Ebene miteinander verbunden sind, dass das mit uns etwas Größeres ist oder gar Schicksal. Tatsächlich hat das mit uns viel Schicksalhaftes, auch im Nachhinein. Zumindest denke ich, das musste alles so kommen. Und am Ende bevorzuge ich den Gedanken, dass jeder sein Schicksal selbst in der Hand hat und ich dem nicht ausgeliefert bin. Dir nicht ausgeliefert bin.

Ich melde mich bei dir. Bedanke mich für deine Karte.
Das, was darauf folgt, ist schwer zusammenzufassen. Ich würde es etwa so tun:
Du vermutest, dass der Grund für den Kontaktabbruch war, dass ich verletzt war, weil wir nicht erneut zusammengekommen waren. (War es nicht.) Du möchtest erneut Kontakt zu mir. Du machst Sexwitze. Und auf meine Nachfragen stellst du zwar nicht deinen Beziehungsstatus klar, aber dass du gerade „nur“ mit mir befreundet sein kannst und sich das ändern kann und Gefühle für mich auch wieder hochkommen können. Du möchtest nichts andeuten. (Tust du aber.)
Ich finde diese Aktion moralisch schwer bedenklich. Du findest sie spirituell leicht erklärbar.
Ich ziehe Grenzen. Du siehst Suche nach Sicherheit darin.
Ich sage, ich möchte (wenn überhaupt) eine Freundschaft. Du sagst, du wolltest gar nichts anderes.
Ich sage, eine Freundschaft kommt für mich so nicht in Frage und gebe dir eine Abfuhr. Du sagst, für dich fühlt sich das gerade zu kompliziert an. Und gibst mir eine Abfuhr. Auf meine Abfuhr?
Ich nenne dir meine Voraussetzungen und warum sie für mich auf deiner Seite nicht erfüllt sind, sage dir, dass du dich bei mir melden kannst, wenn sich diese Dinge verändert haben.
Du sagst mir, du bist auf mich einen Schritt zugegangen und ich kann mich bei dir melden, wenn ich soweit bin. Dein Angebot an mich, mich zu melden auf mein Angebot an dich, dich zu melden kommt mir selbst beim Schreiben viel zu sarkastisch vor.
Du entschuldigst dich, falls du mich mit „irgendetwas“ verletzt haben solltest.

Während mein gutmütiges Ich sich am Ende zum unzähligen Mal für einen kurzen Moment davon einlullen lassen will, fragt mein kritisches Grenzen-Ich sich selbst fassungslos, ob das mein Ernst ist. Und deiner.

Du und ich, das war mal. Wir sind auf unterschiedlichen Frequenzen unterwegs. Auf deiner bist du sehr achtsam, freundlich, gutmütig und großherzig und ich regel die Dinge zu sehr mit Voraussetzungen und verkenne mein eigenes Bedürfnis nach Sicherheit. Auf meiner ziehe ich Grenzen als Erfahrung aus der Geschichte zwischen uns und du hast nichts aus der Vergangenheit gelernt und möchtest lieber mit meinem Herzen spielen als mich einfach in Ruhe zu lassen. Nicht aus böser Absicht. Das unterstelle ich dir keinen Moment lang. Auf meiner Frequenz denkst du nicht darüber nach, was du damit bei mir anrichtest, weil du aus der Vergangenheit nur zu gut weißt, dass man bei mir nur an der Tür anklopfen muss, damit ich sie strahlend wieder öffne.

Und ja. Es ist am Ende meine Verantwortung, wenn ich mein Herz öffne und jemanden, der nichts darin verloren hat, darin herumtrampeln lasse. Es ist meine Verantwortung, wenn ich keine Grenzen ziehe oder gezogene selbst nicht einhalte. Es ist meine, wenn ich dir Raum gebe, während Herz und Verstand gleichzeitig rebellieren und nur dieser kleine, winzige, abhängige Teil in mir sich zufrieden fühlt.

„Mir fällt auf, dass da viel Idealisierung mitschwingt“, sagte mein ehemaliger Therapeut mal vor langer Zeit. Mir fällt das auch immer wieder auf. Wenn ich an dich denke und mich frage, was ich bloß falsch gemacht habe. Was ich besser hätte machen können oder müssen. Wenn ich dein charmantes Lächeln vor Augen habe, deinen warmen, verliebten Blick. Wenn ich daran denke, wie du mich in deine Arme genommen hast und mir die schönsten Dinge gesagt hast. Du hast eine unglaubliche Wirkung und ich bin mir inzwischen sicher, dass es nicht nur mir so geht. Heiß und kalt, heiß und kalt, heiß und kalt. Immer wieder und wieder, in der endlosen Dauerschleife, die in Wirklichkeit immer eine gut getarnte Abwärtsspirale war.

Ich habe nie so sehr an meiner Wahrnehmung gezweifelt wie in der Zeit, in der du in meinem Leben warst. Es ist schwer, zu verstehen, wie es sein kann, dass ich am Ende immer wieder und wieder das Gefühl habe, die Dinge offenbar falsch verstanden zu haben.

Damit ist jetzt Schluss. Ich bin dankbar für die Erfahrungen mit dir. Vor unserer Zeit konnte ich keine Grenzen ziehen. Ich war nicht in der Lage, mir selbst in meinem Urteil zu vertrauen und ich habe Dinge mitgemacht, von denen ich mir inzwischen wünsche, ich hätte sie nicht mitgemacht, weil es meiner Selbstachtung in Erinnerung daran gelegentlich schwer fällt, sich nicht zu schämen. Am Ende war das alles für etwas gut.
Du hast mir mit den letzten Nachrichten mehr geholfen als du erahnen kannst und auch der winzige verbliebene Teil der Abhängigkeit in mir hat jetzt endlich die Chance, dich und sich abzuhängen und sich ganz in mir allein festzuhalten. Vielleicht, das denke ich wirklich, habe ich dir damit eine ähnliche Chance gegeben. Am Ende ist es aber egal.

Ach und meine Antwort auf deine letzte Nachricht und auf dich? Schweigen. Es ist alles gesagt.



2 Kommentare zu „Schluss damit!

  1. Schön, dass Du mal wieder was schreibst, Flatterherz!

    Liest sich alles schon sehr anstrengend mit dem Typen. Wenn Beziehungen und Nicht- Beziehungen auf solch eine Verhandlungsebene geraten…. boah! 🙂

    Like

    1. Danke, ich hab euch auch vermisst! 🙂

      Die Verhandlungsebene ging ja eindeutig von mir aus. 😅 Für mich war das ein ganz wichtiger Moment. Die Geschichte hing mir jetzt noch Monate lang nach und ich brauchte die Chance, die Dinge zu tun, die ich in Bezug auf ihn in der Vergangenheit nicht gemacht habe – unter anderem für mich einzustehen und sein Verhalten klar abzulehnen. Wir waren zwei Jahre lang mit Unterbrechungen in einem Verhältnis, in dem ich das Gefühl hatte, mich ihm und seinen wechselnden Bedürfnissen nur zu beugen und beugen zu müssen. Das war das erste Mal, dass ich gesagt habe, ich mach da nicht mehr mit. Das tat gut und ich glaube, es war sehr hilfreich, um sich nun gesünderen Beziehungen und Nicht-Beziehungen widmen zu können! 😄🙂

      Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar