Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, ob mein letzter Eintrag nicht vielleicht einen falschen Eindruck hinterlassen könnte. Und ob ich ihn tatsächlich ohne Nachtrag stehen lassen kann.
Ich fand die Idee gut, von diesem Date auf diese Art und Weise zu schreiben. Denn das, was aus meiner Sicht völlig plausibel war, die Reaktion, die meiner Meinung nach völlig verständlich, legitim und nachvollziehbar war, war für mein Date vermutlich alles, nur nicht das. Und so sehr ich den Zuspruch auch oft schätze, so sehr stört es mich oft doch auch, dass eben alles letztendlich eine Frage der Sicht ist. Und manchmal auch der Darstellung.
Vor einigen Wochen ist es mir schon mal passiert, dass ich in einer scheinbar völlig banalen Situation fast übermäßig emotional geworden wäre und mich nur mit Mühe zusammenreißen konnte, auch wenn ich meine Reaktion selbst etwas übertrieben fand und es mir im ersten Moment schwer fiel, die starken Emotionen, die da hochkamen, zu verstehen.
Ähnlich war es mit dem letzten Date, das unbedingt mehr Zeit mit mir verbringen wollte und mir, aus meiner Sicht, unterschwellig Druck machte und mir mehrmals signalisiert hat, es nicht ernstzunehmen, dass ich andere Pläne hatte.
Letztendlich sind das Stellvertreter-Situationen. Es ging beispielsweise nie darum, pünktlich im Bett zu liegen. Es ging darum, ernst genommen zu werden in meinen Bedürfnissen, Wünschen und Grenzen und es ging um das Gefühl, dass sich jemand gerade darüber hinweggesetzt hatte.
Im Moment habe ich das Gefühl, über Jahre und Jahrzehnte keine Grenzen gesetzt zu haben und stets lächelnd am Fenster gestanden zu haben, während mir immer wieder Menschen im Vorgarten alles platt getrampelt haben. Natürlich gab es genug Augenblicke, in denen ich auch mal etwas gesagt habe, auf der Arbeit beispielsweise umd ich war auch vorher keinesfalls eine Person, die zu allem Ja sagt und sich alles gefallen lässt. Dennoch gab es in vielen Situationen keine deutliche, feste Grenze, keinen Zaun, nichts.
Mit der Therapie, die seit etwa einem Jahr andauert, ist mir das bewusster geworden. Zumindest glaube ich, dass es daran liegt. Inzwischen reagiere ich sensibel, wenn jemand plötzlich in meinem Vorgarten rumläuft und die Blumen dort platt tritt und sich dabei nicht mal umsieht.
Momentan ist es noch so, dass ich gerade noch mit starken, übermäßigen Gefühlen reagiere, wenn ich spüre, jemand nimmt meine Bedürfnisse und meine Grenzen eindeutig nicht ernst. Es ist etwas, was ich nicht mehr ignorieren kann. Konnte ich früher noch dabei lächeln und das ignorieren und so tun als würden da gerade nicht meine Grenzen überschritten werden, werde ich nun innerlich rasend. Auf Dauer ist es wünschenswert, weniger emotional und dafür selbstbestimmt und konsequent in solchen Momenten zu reagieren. Und von vornherein nicht nur meine Grenzen klar abzustecken sondern auch selbst dafür zu sorgen, dass diese eingehalten werden.
Es kann am Ende auch nicht das Ziel sein, dass ich meinen Vorgarten mit einem Zaun, einem Stacheldraht, einer Alarmanlage und Kameras schütze. Es geht viel mehr darum, ihn zu wahren und zu schützen und vielleicht auch mal für den einen oder anderen Menschen den Zaun etwas zu verschieben oder vielleicht das Gartentor aufzulassen. Ich sehe mich da im Prozess und für mich war es so, dass ich nach dem letzten Date stolz war, auch wenn ich es völlig verstehe, wenn ich aus seiner Sicht vollkommen verrückt gewirkt haben muss. Für mich war es aber ein deutliches Zeichen, dass ich in den vergangenen Monaten einen riesigen Schritt nach vorne gekommen bin.
Ein Hinweis erscheint mir noch wichtig:
Ich habe im letzten Eintrag meine Angststörung als etwas Negatives dargestellt und ich glaube schon auch, dass mein letztes Date derartig über mich denken könnte, dadurch, dass ich aus seiner Sicht so wenig nachvollziehbar gehandelt habe und es dann vielleicht wie eine „legitime“ Erklärung erscheint, sich nicht mit dem eigenen Verhalten auseinandersetzen zu müssen sondern es auf psychische Erkrankungen zu schieben.
Was ich damit jedenfalls nicht wollte, ist, Menschen mit psychischen Erkrankungen abzuwerten oder psychische Erkrankungen als etwas darzustellen, wofür man sich schämen muss. Für mich hat es eine ganze Weile gedauert, sie als deutliche Signale und Zeichen für Missstände, die meine Psyche und mein Körper mir senden, zu verstehen und nicht als etwas, wofür ich mich schämen muss. Die Angststörung erscheint mir heute wie etwas, das ganz natürlich entstand bei meinen Glaubensmustern, Erfahrungen und meiner Art zu leben. Und so war es dann aber auch die Angststörung selbst, die mich dazu bewegt hat, in mir aufzuräumen und vieles wieder ‚in Ordnung‘ zu bringen. Grenzen zu setzen ist dabei eine von vielen kleinen Kisten. Also falls es so ankam: Ich betrachte psychische Erkrankung nicht als etwas, wofür man sich schämen muss. Ich betrachte sie viel mehr als etwas, an dem man ehrlich wachsen kann.